Erkennen, erfahren, darstellen: visuelle und literarische Methoden in der sozialwissenschaftlichen Forschung
Sozialwissenschaftliche Forschung möchte zum Verständnis gesellschaftlicher Prozesse oder Zusammenhänge beitragen. Etablierte qualitative und quantitative sozialwissenschaftlichen Methoden helfen uns in der Regel das abzubilden, was wir durch Beobachtung und Datenerhebung erfassen können. Sie privilegieren damit Phänomene, die präsent bzw. sichtbar ist. Aber (wie) können wir methodologisch auch die Prozesse und Verhältnisse erfassen, die sich nicht oder nicht mehr beobachten lassen? Von denen es keine Zeugen oder keine schriftlichen Zeugnisse gibt? Diese methodologischen und methodischen Fragen stellen sich regelmäßig in Kontexten, in denen der Staat das Informationsmonopol hält (staatliche Gewalt) oder bei der Benutzung von Archiven (insbesondere Kolonialarchive). Sie sind aber darüber hinaus für eine Reihe von Themen relevant. Vor diesem Hintergrund lässt sich in den letzten Jahren eine Forschungspraxis beobachten, die sich der künstlerischen Forschung, dem Desing, der visuellen Ethnographie oder literarischer Methoden bedienen, um bestimmte Aspekte gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse zu erfassen und wahrnehmbar zu machen (z.B. Gordon 2008; Huffschmid 2019; Fuller and Weizman 2021). Der Bezug auf ästhetische Praxen wirft dabei die Frage nach dem Verhältnis von Realität, Fiktion und Wahrheit in den (Sozial)Wissenschaften neu auf. Ausgehend von ausgewählten Forschungsarbeiten führt das Seminar in die zentralen Debatten und methodologischen Fragen zu unterschiedlichen Medien (Foto/Bild, Video, Ton, Literatur) ein. Parallel dazu erproben wir, in welchen Bereichen und auf welche Weise wir visuelle und literarische Methoden in unserer eigenen Forschung fruchtbar machen können. In einzelnen Sitzungen wird es die Gelegenheit geben, sich mit externen Gästen aus Wissenschaft, Aktivismus und Kunst über ihre Forschungspraxis auszutauschen. Ein detaillierter Seminarplan und die Scheinanforderungen werden in der ersten Sitzung vorgestellt. Literatur: Fuller, Matthew, and Eyal Weizman. 2021. Investigative aesthetics: Conflicts and commons in the politics of truth. London: Verso. Gordon, Avery F. 2008. Ghostly Matters: Haunting and the sociological imagination. Minneapolis: University of Minnesota Press. Huffschmid, Anne. 2019. “Neue forensische Landschaften. Verschwundene, Suchmanöver und die Arbeit der Bilder in Mexiko.” Zeitschrift für Kulturwissenschaften, 13 1: 69–84.
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Typ | Seminar |
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Dozent/in | Dr. Hannah Franzki |
Semester | Sose 2023 |
Veranstaltungsumfang | |
Beginn | 18.04.2023 |
Zeit | Sose 2023 |